Sport, Inklusion und ein inklusiver Arbeitsmarkt

Ein paar sportliche Fragen über die Arbeit der Integrationsämter und Unterstützungsmöglichkeiten an Christoph Beyer.

Die Buchstaben BIH stehen in schwarz auf weißem Grund, darüber ein blau geschwungener Strich. Daneben ein Foto von Christoph Beyer.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen mit dem Vorsitzenden Christoph Beyer.

Mehr Menschen mit Behinderungen im Sport, auch in der hauptamtlichen Arbeit, ist eines der Ziele des DOSB Strategiekonzeptes „Inklusion im und durch Sport“. Die Integrationsämter unterstützen hier bei allen Fragen rund um den Arbeitsplatz von und für Menschen mit Behinderungen.

 

DOSB: Herr Beyer, Sie sind Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) und Leiter des Inklusionsamtes beim Landschaftsverband Rheinland (LVR). Bevor wir zu den Fragen zum Thema Arbeit kommen, betreiben Sie eine Sportart?

C.B.: Ich freue mich sehr, für Ihre Fragen zur Verfügung zu stehen. In meiner Freizeit gehe ich laufen, so oft es geht. Nicht mit großen sportlichen Ambitionen, aber um den Kopf frei und die Beine schwer zu bekommen ist es eine wunderbare Betätigung.

DOSB: Auftrag der Integrationsämter ist die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu sichern und zu fördern. Wer kann sich an ein Integrationsamt wenden? Wann und wie ist der bestmögliche Start dazu?

C.B.: An das Integrationsamt können sich sowohl Arbeitgeber als auch schwerbehinderte Beschäftigte wenden. Wir haben Förder-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen für beide im Angebot. Einen Fehlstart – um im Bild zu bleiben – gibt es bei uns nicht. Also so früh wie möglich mit den Kolleginnen und Kollegen Kontakt aufnehmen.

DOSB: Welche Angebote und Hilfen gibt es zur Förderung und Sicherung der Stellen für Menschen mit (Schwer-)Behinderungen durch die Integrationsämter? 

C.B.: Die Unterstützungs- und Begleitungsmöglichkeiten sind vielfältig wie das Arbeitsleben. Sie reichen von der klassischen Beratung durch den Technischen Beratungsdienst und den Integrationsfachdienst über die finanzielle Förderung, z.B. einer Arbeitsassistenz oder eines Gebärdensprachdolmetschers bis zur Begleitung am Arbeitsplatz über ein Jobcoaching. Hinzu kommt die klassische Arbeitsplatzausstattung, aber auch das Schulungsangebot für die Schwerbehindertenvertretungen und die Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers.

DOSB: Sehen Sie dabei eine Aufgabe bzw. ein Thema, dem Sie gern mehr Gewicht geben würden?

C.B.: Mehr Gewicht – ein Gewichtheber werde ich nie! – würde ich gerne der Arbeitgeberbegleitung geben. Das ist der entscheidende Punkt für den Arbeitgeber, wenn er vor der Frage steht, einen Menschen mit einer Schwerbehinderung einzustellen. Zu wissen, da ist jemand, an den er sich mit all seinen Fragen wenden kann, und das auch über einen längeren Zeitraum hinweg.

DOSB: Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen ist immer noch doppelt so hoch wie die der nichtbehinderten Menschen. Was tun Sie und die Kolleg*innen in den Integrationsämtern dagegen?

C.B.: Wir treten weiterhin zum Hindernislauf an! Wobei die allermeisten Hindernisse, so sie überhaupt existieren, mit der entsprechenden Beratung und Unterstützung überwunden werden können. Vieles ist Überzeugungsarbeit, hier kommt es auf die zahlreichen guten Beispiele an.

DOSB: Was wünschen Sie sich dazu von Arbeitgeber*innen und von den Menschen mit Behinderungen selbst?

C.B.: Ich wünsche mir vor allem Mut und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Ohne diese beiden Fähigkeiten kommt man auch im Sport nicht weit. Mut, die Beschäftigung des Menschen mit einer Einschränkung einfach einmal auszuprobieren. Gerade für Jugendliche ist es vor dem Hintergrund der letzten pandemiegeprägten Monate wichtig, dass Ihnen ein Ausbildungsangebot gemacht wird. Und das Vertrauen in die eigenen Stärken, die jeder Mensch, egal ob mit oder ohne Einschränkung, hat. Diese Stärken zu fördern und zu unterstützen, das ist Inklusion. Hier kann die Arbeitswelt vom Sport, vor allem auch vom Behindertensport, eine Menge lernen.

DOSB: Unsere Projekte „Sport-Inklusionsmanager*in“ und aktuell „Event-Inklusionsmanager*in im Sport“ bewegen viel für und mit Menschen mit Behinderungen und deren Arbeitsumfeld. Gemeinsam mit den beteiligten Sportorganisationen werden die Themen Inklusion im Sport und der Arbeitswelt vorangebracht. Bemerken Sie davon etwas?

C.B.: Aber natürlich bemerke ich davon etwas. Der Umgang mit Inklusion im Sport prägt das Bild von Menschen mit einer Behinderung in der Gesellschaft ganz wesentlich. Und das im positiven Sinne! Das geht bis zu der Frage, ob ich mit einem Hilfsmittel, z.B. einer Prothese, einen Wettbewerbsvorteil habe. Da verschieben sich Sichtweisen auf fundamentale Weise. Ein Event-Inklusionsmanager*in trägt dazu bei, dass Barrierefreiheit im Sport wie im Arbeitsleben zu einem Qualitätsmerkmal wird.

DOSB: Für welche Umsetzung im Bereich Inklusion fehlt Ihnen „die gute Fee“? Oder klassischer gefragt: Was würden Sie gern sofort umsetzen, wenn Sie es könnten?

C.B.: Ich würde gerne jeder Schülerin und jedem Schüler, der im Zeichen der Inklusion die Schule durchlaufen hat, einen Ausbildungsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anbieten können. Die schulische Inklusion muss sich im Arbeitsleben fortsetzen, sonst hat sie ihr Ziel verfehlt. Und das Ziel zu verfehlen ist nicht nur für jede Sportlerin und jeden Sportler eine Enttäuschung.

DOSB: Welche Entwicklung der letzten Zeit erfreut Sie besonders?

C.B.: Dass der Fürsorgegedanke dem berechtigten Anspruch auf Teilhabe gewichen ist, und dies nicht nur im Gesetz sondern auch in den Köpfen der Menschen. Menschen mit einer Behinderung meistern ihre Arbeit genauso wie jede Kollegin und jeder Kollege. Das haben gerade die letzten Monate gezeigt.

DOSB: Zu Recht oder zu Unrecht, manchmal fühlt man sich bei der Suche nach Unterstützung oder als Antragsteller*in nicht gut beraten. An wen kann man sich wenden, wenn dies bei einem Integrationsamt passiert?

C.B.: Natürlich passiert das bei einem Integrationsamt nie! Das war jetzt leicht geschönt, aber Spaß muss sein, das gilt übrigens auch im Sport. Also, die Kolleginnen und Kollegen geben ihr Bestes, damit sie immer gut beraten. Das Thema hat aber auch zwei Seiten: Eine Reihe unserer Beratungsangebote laufen zwangsläufig ins Leere, weil Arbeitgeber sie nur brauchen, wenn sie vor einer konkreten Beschäftigungssituation stehen. Dann muss Beratung da sein, schnell und kompetent. So wie im Sport, die Leistung muss auf den Punkt abgerufen werden können. Das geht nicht immer, aber der Ehrgeiz muss immer da sein.

Wir bedanken uns für das Interview!

Hier finden Sie Ihr zuständiges Integrationsamt.

Auf PASS finden Sie weitere Tipps für Arbeitgeber und Arbeitssuchende mit Behinderungen.

 

Die Fragen stellte Katja Lüke, Referentin für Inklusion im und durch Sport.


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