Wir müssen mutig sein!

Die meisten Menschen mit Behinderungen würden gerne Mitglied im Sportverein werden, haben aber noch nie angefragt.

Sina Eghbalpour und Katja Lüke am Stand des DOSB. Beide sitzen im Rollstuhl vor einem Roll Up mit Trimmy, dem Maskottchen des DOSB.
Sina Eghbalpour und Katja Lüke am Stand des DOSB im Gespräch. Copyright: DOSB

Sina Eghbalpour, Sport-Inklusionsmanagerin im Stadtsportbund Aachen und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholischen Hochschule Aachen, hat uns beim SO Festival am Stand des DOSB und seinen Mitgliedsorganisationen besucht. Wie verbindet Sie Forschung und Inklusionssport?! Wie wichtig ist Forschung für Inklusion im Sport?

Katja Lüke: Liebe Sina, wir kennen uns seit deiner ersten Stelle im DOSB Projekt Sport-Inklusionsmanager*in. Schön, dass Du heute auch in Berlin bist und wie ich hörte deine eigene Forschungsarbeit bei SOD vorgestellt hast. Was beinhaltet deine Forschung?

Sina Eghbalpour: Liebe Katja, wie schön, dass ich heute mit dir über dieses Thema sprechen darf! 
In meiner Forschungsarbeit habe ich versucht, einen möglichst praxisnahen Einblick in die Aachener Sportvereinswelt von Menschen mit Beeinträchtigung, unseren Sportvereinen; also Vorständen, Übungsleiter*innen und auch Mitgliedern sowie politischen Vertreter*innen und auch Vertreter*innen der Teilhabeförderung (bspw. Werkstätten, Kitas, Förderschulen usw.) zu erhalten. Wir reden immer sehr viel über Hindernisse, Hürden und Barrieren im Sport und ich habe mich oft gefragt, welche sind es denn eigentlich? Wer hat eigentlich welchen Bedarf? Woran scheitert es, dass Menschen mit Beeinträchtigung viel weniger sportlich aktiv sind? Fehlt es hauptsächlich an Angeboten oder evtl. eher an Rahmenbedingungen wie Fahrdiensten oder Assistenz? Darüber wollte ich in den direkten Austausch mit allen Beteiligten gehen!

Katja Lüke: Ist Partizipation das Besondere an deiner Forschung? 

Sina Eghbalpour: Ich glaube, jede Forschung hat etwas Besonderes, aber mein Forschungsvorhaben war tatsächlich vor allem partizipativ. Mein Ansatz ist, nicht ÜBER sondern MIT den unterschiedlichen Zielgruppen zu sprechen. Es kommt in der Wissenschaft immer noch sehr selten vor, dass Menschen mit Beeinträchtigung tatsächlich befragt werden. Erst recht, wenn wir Bedarfe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen erfragen möchten. Für mich und meinen Doktorvater Prof. Dr. Thomas Abel, war klar dass zur Befragung für Verbesserung von Teilhabemöglichkeiten im Sport wirklich ALLE einbezogen werden. Meinen Fragebogen habe ich also in Leichte Sprache übersetzen lassen und diesen persönlich in den Aachener Einrichtungen der Teilhabeförderung verteilt. Menschen mit Sehbeeinträchtigung konnten den Fragebogen mit Hilfe eines Screenreaders online ausfüllen. 

Katja Lüke: Was braucht es, damit auch Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung an Befragungen teilnehmen und somit ihre Meinung einbringen können? 

Sina Eghbalpour: In meiner Befragung waren die Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung die größte Gruppe der antwortenden Menschen mit Beeinträchtigungen. Über 200 Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung haben den Frageborgen ausgefüllt. Ich habe vorher viele Einrichtungen in Aachen besucht, über die Bedeutung der Befragung berichtet und immer wieder zu allen Veranstaltungen eingeladen. 
Für die Einbeziehung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Wissenschaft braucht es vor allem bedarfsorientierte Erhebungsinstrumente. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass die Fragen in Leichter oder Einfacher Sprache gestellt sind, dass Bebilderungen vorhanden sind, dass es keine Filterfragen gibt und weniger Mehrfachantworten oder offene Antwortmöglichkeiten. Es müssen einfache Antwortmöglichkeiten gewählt werden, an Skalierungsfragen habe ich mich noch nicht herangetraut bei meinem ersten Versuch. Das wäre ein zukünftiges Experiment!

Katja Lüke: Was hat Dich von den Ergebnissen am meisten beeindruckt? 

Sina Eghbalpour: So viele Menschen mit Beeinträchtigungen und auch so viele Menschen aus den Sportvereinen sind interessiert am gemeinsamen Sport und wollen inklusiven Sport. Was es oft verhindert sind meinen Forschungsergebnissen nach die Mängel in der Mobilität. Die mangelnde Barrierefreiheit beim Erreichen der Angebote verhindert oft die Teilhabe! 

Katja Lüke: Was hat sich durch die Ergebnisse bereits geändert im Sport in Aachen?

Sina Eghbalpour: Der Wegweiser für inklusiven Vereinssport mit wissenschaftlich fundierten Handlungsempfehlungen ist veröffentlicht. Ich wollte, dass meine Forschungsergebnisse in jedem Fall zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung beitragen und uns politisches Gehör verschaffen. Viele der Forderungen richten sich an Vertreter*innen der Politik, da es strukturelle Herausforderungen sind, die wir in den kommenden Jahren beseitigen müssen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass wir alle einen Schritt aufeinander zugehen müssen. Wir müssen mutig sein, sowohl die Sportvereine als auch die Menschen mit Beeinträchtigung! In Aachen hat sich viel verändert in den letzten Jahren. Wir haben viele Anfragen von Interessierten, einige Sportvereine, die inzwischen tolle inklusive Angebote anbieten oder sich gerade auf den Weg machen, einige Aus- und Fortbildungen im Inklusionsbereich und sehr viel Gremienarbeit. Wir sind auf einem guten Weg. Ich sage immer: schon viel geschafft, aber noch viel mehr vor!

Katja Lüke: Hast Du einen Tipp für andere Städte und Gemeinden, wie auch für die Host Towns der World Games 2023 für mehr Inklusion im Sport? 

Sina Eghbalpour: Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Stadt – und Kreissportbünde eine Ansprechperson für Inklusion im Sport benennen. Sportvereine brauchen jemanden, an den sie sich wenden können oder jemand, der die Möglichkeiten zur Vernetzung herstellt. Es ist in Ordnung, wenn Städte oder Gemeinden noch keine Expert*innen auf dem Gebiet sind und Fragen zu der Thematik haben. Hier mein Tipp: tauschen Sie sich mit Fachverbänden aus dem Sport aus. Sie sollten ins Gespräch mit den Behindertensportverbänden, mit den Event- oder Sport-inklusionsmanagerinnen oder anderen Sportler*innen mit Beeinträchtigung gehen. Hier muss das Rad nicht neu erfunden werden, es gibt bereits viel Erfahrung, die geteilt wird!

Katja Lüke: Hast Du auch einen Tipp für Menschen mit Behinderungen, die noch keinen Sport machen oder mehr Sport machen wollen? 

Sina Eghbalpour: Seid mutig und traut euch im Sportverein anzufragen! Nehmt evtl.beim ersten Mal jemanden mit.
Meine Forschungsergebnisse zeigen, die meisten Menschen mit Beeinträchtigung würden gerne Mitglied im Sportverein werden, aber haben noch nie angefragt. Diejenigen, die allerdings bereits angefragt haben, wurden auch tatsächlich fast immer aufgenommen – das macht doch Mut, oder?! Ich habe Glasknochen und nie gedacht, dass ich mal in einem Sportverein aufgenommen werden würde. Jetzt spiele ich Rollstuhlhandball – vielleicht nicht die klügste Idee mit Glasknochen, aber es macht Spaß! 

Liebe Sina, danke für Deinen Besuch. Wir freuen uns über den Wegweiser für inklusiven Vereinssport und auf Deine Doktorarbeit. Dafür wünschen wir Dir alles Gute!

(Quelle: Katja Lüke, DOSB)


  • Sina Eghbalpour und Katja Lüke am Stand des DOSB. Beide sitzen im Rollstuhl vor einem Roll Up mit Trimmy, dem Maskottchen des DOSB.
    Sina Eghbalpour und Katja Lüke am Stand des DOSB. Beide sitzen im Rollstuhl vor einem Roll Up mit Trimmy, dem Maskottchen des DOSB.

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