Arbeitsassistenz - ein Tool für Inklusion

Barrierefreiheit im Arbeitsleben: es braucht mehr als Rampen oder breite Türen.

Christian Au im Rollstuhl mit dem Vorspannbike auf einem Stadtlauf. Im Hintergrund Absperrung, ein Radfahrer und Menschen beim Anfeuern.
Rechtsanwalt Christian Au sportlich mit dem Bike beim Buxtehuder Altstadtlauf. https://rechtsanwalt-au.de/ Quelle: Christian Au

Die Arbeitsassistenz ist eine Form der persönlichen Assistenz und eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation. Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen möchten wir über diesen Rechtsanspruch informieren und haben ein Gespräch mit dem Rechtsanwalt Christian Au geführt.

Schwerbehinderte Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz im Arbeitsleben. Zu den Antragsteller*innen zählen überwiegend Menschen mit körperlichen Behinderungen bzw. Sinnesbehinderungen (Rollstuhlfahrer*innen, blinde oder gehörlose Menschen). Die Arbeitsassistenz übernimmt Aufgaben oder assistiert, bei Tätigkeiten, die behinderungsbedingt nicht möglich sind. Die Kernarbeit leistet die Person mit Behinderung dabei selbst.

DOSB: Herr Au, das klingt super und dennoch funktioniert es für viele Arbeitnehmer*innen nicht mit dem Start der Arbeitsassistenz. Wie kommt man zur Arbeitsassistenz? Wer entscheidet, ob und in welchem Umfang diese notwendig ist?

C. A.: Zunächst muss man sich darüber Gedanken machen, welcher Kostenträger für einen persönlich der zuständige Träger der Teilhabe am Arbeitsleben ist. Insbesondere kommen hier die Deutsche Rentenversicherung, die Agentur für Arbeit, die gesetzliche Unfallversicherung oder das Integrationsamt in Frage. Erwischt man allerdings den falschen Kostenträger mit seinem Antrag, ist dieser verpflichtet, den Antrag an den richtigen Kostenträger weiterzuleiten. Bei dem dann gefundenen Kostenträger wird sich die entsprechende Reha-Abteilung mit dem Antrag befassen. Diese wird dann klären, ob und in welchem Umfang die Unterstützung zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist.

DOSB: Wie findet man eine Arbeitsassistenz und wie wird abgerechnet?

C. A.: Im Regelfall wird vom Kostenträger ein sogenannter Leistungserbringer mit der Arbeitsassistenz beauftragt. Das bedeutet, es übernimmt eine Firma die Arbeitsassistenz durch angestellte Mitarbeiter*innen. Man kann allerdings auch beim Kostenträger ein sogenanntes persönliches Budget beantragen. In diesem Fall wird man Arbeitgeber*in von selbst gesuchten und selbst angestellten Arbeitsassistent*innen.

Wenn ein Leistungserbringer tätig wird, rechnet dieser direkt mit dem Kostenträger ab. Hat man das persönliche Budget gewählt, erhält man monatlich im Voraus eine festgesetzte Summe, die man dann für die Beschäftigung seiner Mitarbeiter*innen ausgibt.

DOSB: Entstehen dem Arbeitgeber dadurch Nachteile bzw. Mehrarbeit?

C. A.: Hat man das persönliche Budget gewählt, entsteht einem insoweit Mehrarbeit, als dass man grundsätzlich auch für die An- und Abmeldung und die Lohnbuchhaltung der Mitarbeiter*innen zuständig ist. Darüber hinaus muss man für sie Dienst- und Urlaubspläne erstellen und im Krankheits- und Urlaubsfall natürlich auch für Ersatz sorgen.

Bei der Kalkulation des persönlichen Budgets besteht allerdings die Möglichkeit, für die zuvor genannten Aufgaben über das Stichwort „Beratung und Unterstützung“ einen gewissen Betrag für Budgetassistenz vorzusehen.

DOSB: Gibt es einen Rahmen/Höchstsatz zum Stundenumfang und der Vergütung von Arbeitsassistenzleistungen?

C. A.:  Das persönliche Budget ist nach Paragraph 29 SGB IX lediglich eine besondere Form der Leistungsgewährung. Das bedeutet, der Stundenumfang des persönlichen Budgets entspricht dem, den man andernfalls über die Inanspruchnahme eines Leistungserbringers erhalten würde. Die Kosten des persönlichen Budgets dürfen die Kosten, die bei Inanspruchnahme eines Dienstleisters entstehen würden, nicht übersteigen. Die Vergütung der Assistenzkräfte im persönlichen Budget wird im Regelfall durch die Sozialgerichte in Höhe der entsprechenden Tarifentlohnung akzeptiert.

DOSB: Mit welcher Vorlaufzeit sollte man rechnen bzw. wie lange dauert es vom Antrag bis zu einer möglichen Bewilligung?

C. A.: Das ist natürlich abhängig vom jeweiligen Kostenträger zu sehen. Leider zeigt die Erfahrung, dass man hier mindestens von ein bis zwei Monaten Vorlaufzeit ausgehen sollte.

DOSB: Kann man sich die Arbeitsassistenz bereits genehmigen lassen während man noch auf Arbeitssuche ist, um diesen Nachteilsausgleich im Bewerbungsgespräch direkt konkret formulieren zu können?

C.A.: Man kann sich eine sogenannte Zusicherung beim jeweiligen Kostenträger besorgen, die dahingehend formuliert werden sollte, dass Arbeitsassistenz in dem notwendigen Umfang gewährt werden wird, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz gefunden wurde. Wurde dann ein konkreter Arbeitsplatz gefunden, ist die Behörde an die Zusicherung gebunden und wird dann den konkreten Umfang der Arbeitsassistenz ermitteln.

DOSB: An wen kann man sich bei Diskussionen/Streitigkeiten zwischen den beteiligten Kostenträgern wenden

C. A.: Eine gute Anlaufstelle in diesen Fällen stellen die sogenannten ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) dar. Zu diesen muss man allerdings wissen, dass sie keine Rechtsberatung im Einzelfall leisten dürfen. Sollten Leistungen abgelehnt werden, ist dringend die Konsultation eines Fachanwalts für Sozialrecht oder der Sozialverbände SoVD und VdK zu empfehlen.

Herr Au, wir bedanken uns herzlich für alle Informationen und das Gespräch!

 

An dieser Stelle möchten wir auf die aktuellen Stellenausschreibungen der zwölf Arbeitsstellen des DOSB Projektes „Event-Inklusionsmanager*in für Menschen mit Behinderungen hinweisen.


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