DOSB-Inklusionskongress zeigt Möglichkeiten des Sports

Beim Inklusionskongress des DOSB am 15. und 16. April in Frankfurt am Main wurde deutlich, welch große Potenziale das gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung besitzt.

Frühsport mit Verena Bentele (m.) am zweiten Tag des Kongresses.
Frühsport mit Verena Bentele (m.) am zweiten Tag des Kongresses.

Der Sport hat schon viel bewirkt, um das große gesellschaftliche Thema Inklusion voranzubringen, doch es bleibt ein Prozess. Das war ein Fazit des DOSB-Kongresses „Mit Inklusion gewinnen!“.

Es ist noch einiges zu tun, damit alle mitmachen können, keiner ausgeschlossen wird, Unterschiedlichkeit kein Problem ist und Anderssein normal ist. Denn das alles ist Inklusion. Oder auch dies: Die Kunst des Zusammenlebens von sehr verschiedenen Menschen.

 So hatte es Rainer Schmidt, der Moderator des zweitägigen Kongresses in den Räumlichkeiten des Landessportbundes (LSB) Hessen, vor drei Jahren beim Neujahrsempfang des DOSB definiert. Schon damals ging der Bonner Pfarrer, Kabarettist und mehrmalige Paralympics-Medaillengewinner im Tischtennis erfrischend, spannend und kritisch auch aus eigenem Erleben dem Thema nach. Nun führte er die rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer schwungvoll und kompetent durch die Veranstaltung, die das vielschichtige Thema von allen Seiten beleuchtete.

In 20 Workshops wurden praxisnah vor allem Möglichkeiten gezeigt, wie sich Inklusion im Sportverein verwirklichen lässt. Sei es in verschiedenen Sportarten wie Boccia und Bergwanderung, Tanzen und Turnen, Klettern oder kleinen Spielen, sei es Wettkampfsport oder auch die Möglichkeit, Handball als Unified Sport zu gestalten, also als gemeinsames Spiel von Sportlern/innen mit und ohne Behinderung.

Ein Workshop skizzierte gemeinsam mit der Aktion Mensch, einem der Förderer des Kongresses, welche ersten Schritte zu einer inklusiven Vereinsarbeit nötig sind. Andere Arbeitsgruppen diskutierten über die Rolle der Sprache: über die leichte Sprache für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, aber auch über bestimmte Formulierungen im Alltag und der Öffentlichkeitsarbeit, die wir oft gedankenlos nutzen, die aber anecken.

Trotz Behinderung  Erfolg haben? An den Rollstuhl gefesselt sein? Wie Sprache schmerzen kann, erfahren der Berliner Musiker Graf Fidi und die Autorin Ninia LaGrande oft am eigenen Leibe – und verarbeiten es auf ihre eigene Weise. Einige Ergebnisse trugen sie in Frankfurt ebenso selbstbewusst wie selbstironisch vor, als Rap und als Poetry-Slam-Text.

Mit Inklusion gewinnen – weil wir alle verschieden sind und voneinander lernen können: Die beiden Tage gaben dem Kongress-Motto recht. Im Inklusionscafé trafen sich die Teilnehmer/innen zum Austausch, zum Entspannen, zum Netzwerken oder auch zum Ausprobieren vielfältiger Bewegungsangebote. 

Moderator und Referenten/innen mit Behinderungen traten dabei als Experten in eigener Sache auf, etwa beim Frühsport mit Paralympics-Siegerinnen und -Siegern: Tischtennis mit Rainer Schmidt, Schwimmen mit Kirsten Bruhn, Joggen mit Verena Bentele. Die mehrmaligen Deutschen Meister im Standardtanz, Andrea Naumann und Jean-Marc Clément, führten in den Rollstuhltanz ein. Hansi Mühlbauer von „Abenteuer Wildnis“ und Anke Hinrichs vom Deutschen Alpenverein zeigten, wie man mit Behinderung auf dem Berg übernachten oder sich an der Kletterwand stärken kann.

Auch sonst hat der Sport schon einiges auf dem Weg zur Inklusion beigetragen. Beim gemeinsamen Sport begegnen sich Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich. Das sagte der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper zur Kongress-Eröffnung. „Sie lassen sich von der Begeisterung der anderen mitreißen. Dabei können sie auch ihre Ängste voreinander überwinden. Auch das ist ein Gewinn.“  Anderssein führe nicht zu Ausgrenzung. „Anderssein ist Vielfalt. Dabei können wir alle viel Neues lernen“, sagte Vesper. Inklusion gelinge nicht von heute auf morgen. Aber vor allem: Inklusion gehe nur gemeinsam. Für den DOSB verspreche er jedenfalls: Inklusion wird ein wichtiges Thema bleiben.

Was der Sport bereits erreicht habe, erläuterte Prof. Gudrun Doll-Tepper, DOSB-Vizepräsident Bildung und Olympische Erziehung, an zahlreichen Beispielen: aus dem Verband Deutscher Sporttaucher, aus dem Deutschen Fußball-Bund und der Deutschen Fußball Liga, aus dem Deutschen Alpenverein, dem Deutschen Karate-Bund oder der Deutschen Turnerjugend. Im vorigen Jahr ging das Deutsche Sportabzeichen auch auf Inklusionstour. Und im weltgrößten Schulsportwettbewerb trainiert Jugend nicht nur für Olympia, sondern selbstverständlich auch für Paralympics.

Vor drei Jahren hat die DOSB-Mitgliederversammlung das Positionspapier „Inklusion leben“ verabschiedet. Was noch zu tun ist, fasst das DOSB-Strategiekonzept „Inklusion im und durch Sport“ zusammen, das vor einem Jahr beschlossen wurde. Darin werden vor allem fünf Handlungsfelder beschrieben.

  • Wir brauchen mehr Angebote. Dazu zählen mehr Möglichkeiten für gemeinsames und auch getrenntes Sporttreiben ebenso wie bessere Information und mehr barrierefreie gemeinsame Veranstaltungen.
  • Wir brauchen hilfreiche Strukturen. Damit ist beispielsweise gemeint, mehr Menschen mit Behinderung für das Ehrenamt, aber auch als hauptamtliche Mitarbeiter zu gewinnen. Zudem soll jeder wissen, wo es Hilfe gibt.
  • Wir brauchen mehr Angebote zur Aus- und Weiterbildung im Thema Inklusion. Dazu sind auch bessere Informationen nötig.
  • Wir brauchen mehr Zusammenarbeit. Das heißt nicht nur, dass Sportverbände und Behindertensportverbände stärker kooperieren. Auch Politik, Wissenschaft und Sport unterstützen sich gegenseitig.
  • Barrierefreiheit muss umgesetzt werden. Dazu zählen Veranstaltungen, aber auch Internetseiten, Broschüren und andere Veröffentlichungen. Der DOSB setzt sich bei der Politik für entsprechende rechtliche und finanzielle Möglichkeiten ein.

Die Politik erkennt die Rolle des Sports auch auf diesem Feld an. Das bestätigte Rolf Schmachtenberg, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Deshalb fördere sein Haus nicht nur diesen Kongress, sondern auch weitere Projekte mit dem DOSB. Schmachtenberg kündigte an, dass aus Mitteln des Ausgleichsfonds demnächst insgesamt 20 sogenannte Inklusionsmanager finanziert werden, die das Thema in die Verbände und Vereine tragen und dort helfen sollen, es auf den Weg zu bringen.

Welche Rahmenbedingungen dafür noch nötig sind, wurde auf dem Frankfurter Kongress deutlich angesprochen. In einer Diskussionsrunde forderten Ulla Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, und Verena Bentele, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und Schirmherrin des Kongresse, dass das Bundes-Teilhabegesetz kommen müsse, „und zwar so schnell wie möglich“.

Ulla Schmidt sagte, sie dringe darauf, dass es noch vor der Sommerpause behandelt werde. Das Gesetz beinhalte den Anspruch auf soziale Teilhabe, aber, so sagte die Politikerin, das Wichtigste dabei sein, dass auch die Finanzierung gesichert sei. Umgesetzt hieße das, dass alle Menschen mit Behinderung zum Beispiel Anspruch auf Assistenz haben, um an der Gesellschaft teilhaben zu können, auch am Sport und an ehrenamtlicher Arbeit. 

Verena Bentele forderte, Assistenz für den Sportunterricht an Schulen für Menschen mit Behinderung strukturell und verpflichtend und finanziell zu etablieren. Die zwölfmalige Paralympics-Siegerin im Biathlon und Skilanglauf berichtete aus ihrer eigenen Sportkarriere, wie schwierig es sei, geeignete Begleitläufer zu finden – sie selbst habe auch immer wieder Glück gehabt. „Sich dabei auf den Zufall verlassen zu müssen, ist ein vages System“, sagte sie zum Thema Begleitläufer für Leistungs- aber auch Freizeitsportler.

Mit der Schwimm-Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn war sie sich einig, dass es immer noch viele Barrieren gebe, aber dass sie sich nie davon aufhalten ließen. Strukturen seien wichtig, vor allem, wenn Menschen mit Behinderung Lust auf Sport hätten, sich aber nicht trauten oder die Hürden zu hoch seien. Aber der Spaß am Sport müsse aus einem selbst kommen, sagten sie.

Gudrun Doll-Tepper fasste zusammen, dass Inklusion ein fortwährender Prozess sei, den manche langsamer und manche schneller bewältigten. „Wir wollen das Sportsystem für alle öffnen, ob für Menschen mit Behinderungen oder Flüchtlinge“, sagte sie. Der Sportentwicklungsbericht sei ein ganz wichtiges Instrument, mit dem man dokumentieren könne, wo es Fortschritte gab und wo noch Schwächen seien, die man verbessern könne.

Es gibt noch viel zu tun. Für alle, die noch zögern, hatte Gudrun Doll-Tepper ein letztes aufmunterndes Wort: „Einfach machen“, sagte sie. „Es geht viel mehr, als man denkt.“

(Quelle: DOSB)


  • Frühsport mit Verena Bentele (m.) am zweiten Tag des Kongresses.
    Frühsport mit Verena Bentele (m.) am zweiten Tag des Kongresses.
  • Podiumsdiskussion mit Rainer Schmidt, Gudrun Doll-Tepper, Ulla Schmidt, Verena Bentele und Volker Anneken (v.l.). Alles Fotos: DBS-Akademie/Ralf Kuckuck
    Podiumsdiskussion Quelle: Ralf Kuckuck DBS-Akademie

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